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Jörn Schumacher, freier Journalist
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Ein Like von Gott  

Digitale Medien dringen immer mehr in das Leben von Kindern und Jugendlichen ein, und das immer früher. Wie gehen Eltern und Erzieher damit um? Einfach Handys und Tablets im Unterricht gänzlich verbieten? So einfach ist es – wie so oft – nicht.

Ja, es lässt sich vielleicht ohne Smartphone leben. Aber wer am modernen Leben teilnimmt, sieht: Ohne Computer, ohne Internet, ohne Handy kommt man nicht mehr weit. Sich austauschen, aber auch Buchen, Parken, Bezahlen und so weiter geht oft nur noch per Smartphone. Wie und vor allem wann sollen Kinder den Umgang mit den digitalen Medien am besten lernen? Pädagogen kommen um diese Fragen nicht mehr herum.

Sollten Handys in den Schulen ganz verboten werden? Bisher liegt es in der Verantwortung der Schulen selbst. In Australien gilt seit November 2024 ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige. 

Australiens Kommunikationsministerin Michelle Rowland argumentierte, dass sich fast zwei Drittel der 14- bis 17-Jährigen in Australien online bereits sehr schädliche Inhalte angesehen haben – darunter zu Gewalt, Drogenmissbrauch, Selbstmord und Selbstverletzung.

Ohne Handy fühlen sich Schüler besser. Aber auch ausgeschlossen.

Tatsächlich kam eine Studie der Universität Augsburg im September 2024 zu dem Ergebnis, dass sich ein Smartphone-Verzicht messbar positiv auf das soziale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler auswirkt. Sogar wenn das Smartphone gut sichtbar auf dem Tisch liege, schränke es die Konzentration und damit die Lernprozesse ein. Zudem verschlechterten Handys grundsätzlich das soziale Klima in Schulen. Stichwort: Cybermobbing.

Die Forscher betonen jedoch, dass ein reines Handyverbot ohne pädagogische Begleitung nicht viel bewirke. Es sei wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernten, wie sie verantwortungsbewusst mit der Technik umgehen können. Smartphones böten eben auch ein großes Potential in Sachen Kommunikation und Informationsbeschaffung. Lehrkräfte sollten es daher durchaus als Unterrichtselement einsetzen. 

Smartphone-Nutzung aktiv statt passiv!

Der Medienpädagoge Achim Halfmann vom christlich geprägten Bildungszentrum Bleibergquelle in Velbert sieht ein striktes Handy-Verbot skeptisch. Es sei Aufgabe von Schulen, Kindern und Jugendlichen auch Medienkompetenz zu vermitteln, ist er überzeugt. Der Leiter der Fachstelle Medien & Bildung hält ein pauschales Verbot für eine „Kapitulation vor der Herausforderung“. Er selbst merke bei seiner Arbeit in der Ausbildung von Jugendlichen: „Wenn ich mit denen irgendwie Kontakt halten möchte, brauche ich soziale Medien, es geht fast gar nicht mehr ohne.“ Halfmann ist überzeugt: „Diese Geräte können Bildung besser und reichhaltiger machen.” 

Der Pädagoge sieht den bloßen „konsumtiven Umgang“ mit Smartphones und Tablets allerdings kritisch, hier würden meistens lediglich kleine Filmchen angeschaut. Vielmehr sollte das kreative Potential dieser Geräte genutzt werden. Halfmann plädiert dafür, Handys gezielt in den Unterricht zu integrieren, statt sie zu verbieten. Dann sei am Ende auch das Verlangen, „mit dem Handy zu spielen“ insgesamt geringer.

Er rät zusätzlich: „Eltern sollen aktiv werden und ihre Kinder auch in der digitalen Welt begleiten, mit ihnen über Inhalte sprechen und ihre Selbstdarstellung reflektieren. Sie sollten wissen, was ihre Kinder auf Plattformen wie Instagram oder TikTok tun, wem sie folgen und wie sie sich präsentieren.“

Fake News, Rechtsradikalismus und Betrug kommen ins Kinderzimmer

Ein Thema, das die Pädagogen immer stärker beschäftige, seien Medien als politischer Raum. Fake News, Rechtsradikalismus und Betrug kämen längst auch ins Kinderzimmer. Um bereits in der Kita den Kindern die Augen für die Gefahren zu öffnen, sollten Erzieher verdeutlichen, dass die Inhalte kreiert wurden und nicht die Wirklichkeit sind, sagt Halfmann. Er ruft Erzieher dazu auf, mit den Kindern schon früh selbst einmal gefälschte Filme zu erstellen, damit sie sehen, wie so etwas geht. 

Halfmann gibt ein Beispiel: Die Lehrkraft stellt in die Mitte des Raumes einen großen Karton auf, dann gehen mehrmals Kinder von der Seite in den Karton hinein, über die andere Seite verlassen sie ihn wieder. Man filmt das Ganze, doch danach schneidet man das Herausgehen der Kinder im Video weg. Übrig bleibt der Eindruck, am Ende säßen viel mehr Kinder im Karton als in Wirklichkeit überhaupt möglich.

Der Medienpädagoge empfiehlt des Weiteren, „Foto-Ralleys“ mit den Kindern durchzuführen. Die Aufgabe: „Fotografiert mit dem Smartphone alles, was blau ist!“ Das schärfe den Blick auf die eigene Umgebung und wie man sie darstellen kann. Bei einer anderen Aufgabe geht es darum, Gefühlsausdrücke für ein Foto nachzustellen. So werde den Kindern ganz nebenbei die Grundlagen von Medienrecht vermittelt: Man darf in Kitas und Schulen eben nicht jede Person einfach so fotografieren oder abfilmen.

Halfmann weiß auch um die Gefahren der Sozialen Medien, wenn es um die Selbstwahrnehmung geht. Je mehr Zeit Jugendliche und Erwachsene auf sozialen Medien verbringen, desto eher entwickeln sie depressive Symptome. „Wie sehe ich mich selbst? Wie komme ich über die Medien für andere rüber, und besteht da vielleicht eine Diskrepanz?“ Diese Fragen müssten Pädagogen mit Kindern und Jugendlichen erarbeiten, sagt Halfmann.

Als von Gott geliebter Mensch wertvoll auch ohne TikTok-Schönheitswahn

Die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist nach der Corona-Pandemie dreimal so hoch wie noch im Jahr 2019. „Die zeitliche Länge des Medienkonsums allein sagt wenig aus über das, was da tatsächlich passiert”, betont Halfmann. „Ich habe früher stundenlang mit meiner Freundin telefoniert, und das war wohl nicht schlecht für mich.“ Dennoch empfiehlt er Eltern: „Habt einen Blick darauf, ob das Medienverhalten eures Kindes zur Vernachlässigung von Beziehungen oder zum Einbrechen der schulischen Leistungen führt! Kommt es zu Schlafstörungen oder anderen körperlichen Symptomen?”

Die Selbstdarstellung in den Sozialen Medien ist für ihn auch aus christlicher Sicht problematisch. Fotos müssen mittlerweile mit Filter versehen werden, damit Falten im Gesicht verschwinden. „Jugendlichkeit ist zum Goldenen Kalb einer Gesellschaft geworden, die mit Sterblichkeit offenbar nicht zurecht kommt”, sagt Halfmann. „Dabei legt die Bibel nahe: ‚Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden'.“ (Psalm 90,12) 

Gewisse Fragen werden für christliche Medienpädagogen drängender, etwa: "Was ist gute Kommunikation? Leitet mich eine Wertschätzung beim Umgang mit anderen? Bin ich aufrichtig?” Aber auch: „Kann ich in den Sozialen Medien zeigen, dass ich älter werde? Wer gibt mir eigentlich meinen Wert? Weiß ich als von Gott geschaffener und geliebter Mensch, dass sich mein Leben abseits der digitalen Medien erfüllt und meine Perspektive weit über das Leben hier hinaus geht?”

Computer aus Holz

Wenn Kinder Medienkompetenz erlernen sollen, hilft am besten ein Verständnis für die Technik dahinter, ist die Medienpädagogin Paula Bleckmann überzeugt. Aber sollte man Kinder dafür wieder vor Bildschirme setzten? Bleckmann hat einen anderen Ansatz. "Analog vor digital!", lautet ihre Devise. Da können einfache Computer schon mal aus Holz sein.

Die Professorin für Medienpädagogik an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn warnt: Kinder säßen schon jetzt dreimal so viel vor Bildschirmen als für sie verträglich ist. Die Biologin und Pädagogin ist die geladene Expertin in der Kinderkommission des Deutschen Bundestages. Aus ihrer Sicht lernen Kinder die Funktionsweise von Videos am besten durch selbstgebastelte Daumenkinos. Mit einem Streichholzschachtel-Computer erklären die Alanus-Pädagogen auf simple Weise, wie man eine Maschine (nur aus 24 Streichholzschachteln und Murmeln bestehend) dazu bringen kann, zu lernen. Eine wichtige Erkenntnis der Kinder sei laut Bleckmann: Die Maschine ist ja gar nicht so schlau, sie befolgt einfach nur Mathematik! Ihr Buch ist auch kostenlos als Download auf der Webseite www.analog-digidaktik.de erhältlich.

Ein vollständiges Verbot von Tablet und Smartphone will auch sie nicht. „Wir wollen nicht zurück in die Steinzeit. Aber wir gehen auch nicht jeden Digital-Hype mit.“ Für Bleckmann ist das Menschenbild dahinter von großer Bedeutung. „Ich als Mensch verstehe andere Menschen. Und ich kann ihnen daraufhin dann Antworten geben. Ein Computer aber imitiert diesen Vorgang nur!“ Nach dem jüdischen Philosophen Martin Buber werde der Mensch aber am Du zum Ich. Die Medien dürften für Kinder nicht zur schnellen Ersatzbefriedigung für unbefriedigte reale Bedürfnisse der menschlichen Ansprache werden. „Als ‚Human-Kapital‘ für einen Wirtschaftsstandort sind sie damit vielleicht gut genug“, so Bleckmann, „aber das ist nicht vereinbar mit dem christlichen Menschenbild.“